Nachhaltige Digitalisierung in Eberswalde – Unsere Studierenden zeigen warum nachhaltig digital auch analog heißen kann.

Digitalisierung prägt den Alltag vieler Menschen in Deutschland insbesondere seit Beginn der Covid-19-Pandemie. Auch in post-pandemischen Zeiten wird diese aus der Gesellschaft nicht (mehr) wegzudenken sein. Städte und Gemeinden spielen dabei eine entscheidende Rolle im Prozess zur Gestaltung des digitalen Wandels: Sie gestalten die Rahmenbedingungen und stellen die Infrastruktur für unser tägliches Miteinander. Kommunale Digitalisierungsstrategien haben somit auch weitreichende Konsequenzen für jede*n einzelne*n von uns. Das „Wie“ der Digitalisierung ist damit entscheidend und es braucht einen bewussten und aktiv gestalteten Umgang auf dem Weg dorthin, der sinnvollerweise nachhaltig erfolgen sollte, und zwar in ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Hinsicht1.

Wie eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie für eine Stadt aussehen kann, haben sich in diesem digitalen Wintersemester Studierende des Kurses M4 „Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie“ unter Leitung von Prof. Benjamin Nölting und Jürgen Schmidt gefragt. Dafür kooperierten sie mit der Stadt Eberswalde, die ihre Digitalisierungsprozesse mit einer nachhaltigen Ausrichtung voranbringen möchte.

In der Fallstudie „Nachhaltige Digitalisierung in der Stadt Eberswalde“ machten sich die Studierenden im ersten Schritt mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Digitalisierung vertraut und nahmen darauf aufbauend im zweiten Schritt eine Bestandsaufnahme der Digitalisierungsbemühungen der Stadt Eberswalde vor. In Arbeitsgruppen arbeiteten sie zu unterschiedlichen Handlungsfeldern, wie bspw. „Politische Teilhabe“, „Lokale Ökonomie und Märkte“ oder „Bildung“ und führten Interviews mit Expert*innen u.a. aus dem Referat für Organisationsentwicklung und Digitalisierung der Stadt Eberswalde oder der „AG Digitalisierung“ der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg.

Mit dieser inhaltlichen Vorbereitung ging es in einen eintägigen Online-Abschlussworkshop, in dem konkrete Leitplanken für eine nachhaltige Digitalisierung für Eberswalde entwickelt wurden. Zwischenergebnisse wurden mit Vertreter*innen der Stadt Eberswalde und externen Digitalisierungsexpert*innen wie bspw. Julia Fink von der Plattform nachhaltig.digital diskutiert und weiter geschärft.

Bildausschnitt von der Online-Pinnwand des Abschlussworkshops | © Eigene Graphik, 2021

Im Handlungsfeld „Infrastrukturen und Daseinsvorsorge“ wurden als Leitplanken Chancen ermittelt, wie durch Digitalisierung bestehende Dienstleistungen verbessert und neue entwickelt werden können. Im Handlungsfeld „Lokale Ökonomie und Märkte“ sollte Digitalisierung als Werkzeug für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl genutzt werden. Schließlich sollte im Handlungsfeld „Umwelt- und Klimaschutz“ beim Einsatz von Digitalisierung besonders auf Suffizienz geachtet werden, also auf Möglichkeiten anders zu produzieren (z.B. Kreislaufwirtschaft), und nicht allein auf Effizienzsteigerung.

Als besondere Herausforderung wurden von den Studierenden das Handlungsfeld „Politische Teilhabe und Mitbestimmung“ herausgearbeitet. Die Studierenden betonten, dass eine kommunale Digitalstruktur nur gemeinsam mit der Stadtgesellschaft entwickelt werden könne. Da es die Menschen in der Stadt oder Gemeinde seien, über die Daten generiert, gesammelt und verarbeitet werden, seien Selbst- und Mitbestimmung essentiell. Statt Daten privatwirtschaftlich zu erheben und zu verarbeiten, sollten Stadt und  Bürger*innen demokratisch und gemeinwohlorientiert entscheiden, welche Daten erhoben, wie diese verwaltet und zu welchem Zweck sie genutzt werden – geleitet von dem Gedanken „Data to the people!“.  Ein wichtiger Baustein, um Mitbestimmung zu ermöglichen, sei dabei der Einsatz von Open Data, also frei zugänglicher und nutzbarer Daten, sowie Open Source-Software, also Programme, die offen, frei zugänglich und durch alle bearbeitbar sind.

Es zeigt sich jedoch auch, dass Digitalisierung nicht lediglich digital erfolgen kann. Erkennbar wurde ein Widerspruch zwischen dem Anspruch einer Inklusion aller Bürger*innen einerseits und der Tatsache, dass nicht alle über gleiche Zugangsmöglichkeiten und Voraussetzungen zur Teilhabe an digitalen Plattformen und Formaten verfügen. Eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie muss daher sowohl digitale als auch analoge Angebote schaffen, um Ausgrenzungen von Bürger*innen, bspw. ohne ausreichend technische Infrastruktur oder Wissen, entgegenzuwirken.

An diesen Beispielen wurde die Komplexität, teils auch Widersprüchlichkeit, einer nachhaltigen Digitalisierungsstrategie deutlich, jedoch auch die Chancen für eine nachhaltigere Gesellschaft. Die durch die Studierenden erarbeiteten Ergebnisse sind für die Stadt Eberswalde wertvoll, weil sie neue Perspektiven aufzeigen und wichtige Fragen formulieren. Ein guter Startschuss für Eberswalde ist somit gegeben – eine tatsächlich nachhaltige Digitalisierungsstrategie wird sich jedoch nur durch den weiteren Austausch und die kontinuierliche Aushandlung in Bezug auf das Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Digitalität mit all seinen Widersprüchen und Komplexitäten ergeben. Studierende und Lehrende der HNEE werden an diesem Prozess weiter teilhaben und somit einen Beitrag zum Transfer von an der Hochschule entwickeltem Nachhaltigkeitswissen in die Praxis leisten (vgl. dazu das Forschungsprojekt HOCH-N).

 

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1 Das fordert u.a. auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen in seinem Gutachten „Unsere gemeinsame Digitale Zukunft“ (2019)

 

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