Positiv, negativ, relativ?
Masterarbeit zur Bewertung des sozialen Beitrags von Nachhaltigkeitsmaßnahmen
Von Lisa Süß
Wenn ein multinationales Unternehmen Bildungsprojekte für benachteiligte Kinder fördert, leistet es dann einen positiven Beitrag zur Gesellschaft oder gleicht es lediglich aus, daß an anderer Stelle in seiner Lieferkette Kinder arbeiten müßen? Lässt sich dieser Beitrag in einem Euro-Wert ausdrücken? Und wenn ja, könnten dann Beiträge zu Bildung und Gesundheit verrechnet werden? Und wer legt eigentlich fest, wann etwas gesellschaftlich positiv oder negativ ist?
Kooperation mit der Otto Group
Mit diesen und weiteren Fragen habe ich mich in meiner im Juni 2016 eingereichten Masterarbeit beschäftigt. Ausgangspunkt der Arbeit bildete ein im Kontext des Masterstudiums entstandener Austausch mit der Otto Group zu deren Nachhaltigkeitsmanagement und dabei insbesondere dem Tool ‚impACT‘. Dieses Werkzeug ermöglicht es der Otto Group, ökologische und soziale Auswirkungen der Geschäftstätigkeit der Otto Group entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erfassen, zu bewerten und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Dabei wird bisher vor allem auf negative Aspekte fokussiert. Die Otto Group war interessiert daran, insbesondere für die Nutzenbewertung einzelner Maßnahme positive gesellschaftliche Auswirkungen miteinzubeziehen. Im Vordergrund sollte dabei vor allem eine zielgerichtete Steuerung der Maßnahmen sowie effektiver Mitteleinsatz stehen.
Zentrale Ergebnisse
Auf dieser Basis wurden die Forschungsfragen der Masterarbeit entwickelt und der Fokus auf die Bewertung des sozialen Beitrags von Nachhaltigkeitsmaßnahmen von multinationalen Handelsunternehmen im Textilsektor eingegrenzt. Nach einer umfangreichen Literaturrechereche, Interviews mit Expert*innen innerhalb und außerhalb der Otto Group und der Anwendung auf ein Fallbeispiel konnte ich verschiedenen Ergebnisse entwickeln:
- Multinationalen Handelsunternehmen im Textilsektor stehen prinzipiell eine Reihe von Konzepten und Instrumenten zur Verfügung stehen, um soziale Beiträge entlang ihrer Wertschöpfungskette zu bewerten.
- Anders als im ökologischen Bereich, ergeben sich jedoch wesentliche Hürden aus einem Mangel an verwertbaren Daten. Zum anderen fehlen ausreichend harmonisierten Vorgehensweisen. Mittelfristig sind für diese Herausforderungen jedoch Verbesserungen durch Fortschritte im Bereich Big Data und Harmonisierungsbestrebungen zu erwarten.
- Für die Identifikation von möglichen strategischen Schwerpunkten für soziale Beiträge auf einer übergeordneten Ebene wird empfohlen, eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Mit der Ausrichtung auf die Sustainable Development Goals (SDG) als übergeordneten Wertmaßstab wird sichergestellt, daß die strategischen Schwerpunkte zu nachhaltiger Entwicklung beitragen. Eine methodisch abgesicherte Quantifizierung oder gar Monetarisierung von sozialen Beiträgen scheint mit vertretbarem Aufwand für diese Zielsetzung nicht umsetzbar. Mit Hilfe eines SDG‑Mappings können relevante soziale Beiträge entlang der Wertschöpfungskette dennoch identifiziert und priorisiert werden.
- Für den Vergleich verschiedener Nachhaltigkeitsmaßnahmen hinsichtlich ihrer sozialen Beiträge wird ebenfalls nicht empfohlen, eine Quantifizierung vorzunehmen. Neben verschiedenen methodischen und praktischen Herausforderungen, greift dabei insbesondere das Argument, daß quantifizierte Werte unterschiedlicher sozialer Dimensionen nicht verrechnet werden sollten.
- Für die Steuerung des sozialen Beitrags einzelner Nachhaltigkeitsmaßnahmen wird empfohlen, eine Wirkungskette zu definieren. Aufbauend darauf kann eine Monetarisierung des sozialen Beitrags durch eine SROI‑Berechnung erfolgen. Da hiermit ein aufwendiger Prozess verbunden ist, wird dies ausschließlich für umfangreichere Nachhaltigkeitsmaßnahmen empfohlen, um den Aufwand zu rechtfertigen. Insbesondere, wenn etwa nach einer Pilotphase zwischen verschiedenen Handlungsoptionen entschieden werden soll, kann eine SROI‑Berechnung zielführend sein.
Zweites Leben als Lehrbuchbeitrag
Nach der erfolgreichen Verteidigung der Arbeit im Juli 2016 und positiven Feedback der Otto Group war das Thema für mich noch nicht abgeschloßen.
Zentrale Elemente der Arbeits, insbesondere der Überblick über den aktuellen Stand der Forschung und Praxis als auch das Instrument des SDG-Mappings, habe ich zu zwei Kapiteln für ein Lehrbuch verarbeitet: Baumast, A.; Pape, J.; Wellge, S.; Weihofen, S. (Hrsg.) (2017, i.V.). Betriebliche Nachhaltigkeitsleistung messen und steuern – Grundlagen und Praxisbeispiele. Ulmer UTB, Stuttgart.
Die Präsentation der Verteidigung als auch die Masterarbeit selbst sind online verfügbar.
Lisa Süß schloss den Studiengang „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ (M.A.) im Juli 2016 ab mit ihrer Masterarbeit „Bewertung des sozialen Beitrags von Nachhaltigkeitsmaßnahmen von multinationalen Handelsunternehmen – dargestellt am Beispiel der Otto Group“. Sie arbeitet für die Fair Wear Foundation, Amsterdam.