M2: Zukünfte neu denken in der Floating *University*
Wenn es nicht mehr wahrscheinlich ist, dass die Zukunft so aussehen wird wie die Vergangenheit, muss man an unwahrscheinliche Orte gehen, um ein Denken von der Zukunft her zu ermöglichen.
Im Sommersemester 2023 beschäftigten sich 14 Studierende des „strategischen Nachhaltigkeitsmanagement“ mit der Zukunft von Boden und den Möglichkeiten des Kaffeeanbaus nach 2040. Um Rohszenarien zu entwickeln, die heute vielleicht unwahrscheinlich erscheinen aber doch plausibel sind, begaben sie sich selbst für 2 Tage an einen höchst unwahrscheinlichen Ort mitten in Berlin: die Floating University.
Die Floating University entstand 2018 als temporäres Experiment im ehemaligen Regenrückhaltebecken des Flughafens Tempelhof und entwickelte sich zu einem bemerkenswerten Lern-Ökosystem, das von Lernenden und Lehrenden aus der ganzen Welt gleichermaßen bevölkert wird wie von Schilf, Raben und Bienen.
Die Zusammenkunft von unterschiedlichsten Disziplinen und Lerngruppen in den temporären Bauten, die zumeist nur einen Schutz vor Sonne und Regen bieten, erlauben in der Auseinandersetzung mit der Umgebung und anderen, Möglichkeiten nachhaltiger Zukunftsgestaltung zu erforschen.
Als selbstorganisierter Lernort braucht die Floating University aber auch Fürsorge, damit sie für viele Menschen und Nichtmenschen nutzbar ist und bleibt. Kristin Laz, die Learnscape Koordinatorin der Floating erzählte zur Begrüßung wie ein ehemaliges Regenrückhaltebecken zu einem trandisziplinären Lernexperiment wurde und lies die Studierenden wählen, wie sie zum Erhalt der Floating beitragen wollten.
Zwei Tage teilten die Studierenden nicht nur Essen, sondern auch die Ergebnisse ihrer Recherche zu Faktoren, Trends und Treibern, die Boden und unseren Umgang damit beeinflussen. Nach einer Analyse und Identifikation der wirkmächtigsten, interessantesten oder unerwarteten Faktoren, waren die Studierenden eingeladen, damit zu spekulieren. Jede Gruppe entwarf dabei drei Rohszenarien, die am Ende auf einem Zukunftsspaziergang erzählt wurden.
Die Erzählungen über Kaffeepflanzen, Mikroben, intentionale Gemeinschaften, Hochwasser und Dürre verschränkten sich mit der gebauten, gewachsenen, gepflegten und gerodeten Landschaft der Floating.
Aus einer Badewanne heraus lässt es sich anders darüber nachdenken was es bedeutet, zusammen in einem Boot zu sitzen. Neben einem Haufen zusammengeschobenen Schilfs und herausgerissener Bäume wird die apokalyptische Dimension von klimatischen Veränderung eindrücklich. Die silbrige Enge einer selbstgebauten Sauna fühlt sich an wie ein Raumschiff, wenn man dabei eine Erzählung aus 2050 hört.
Das spekulative Bewegen auf der Grenze zwischen erzählter und erlebter Wirklichkeit öffnet den Blick auf mögliche Zukünfte und ermutigte die Studierenden nicht nur über die Grenzen der eigenen Fachrichtung, sondern auch ihrer gegenwärtigen Lebenswirklichkeit hinaus zu schauen.
Das Vermögen, sich Zukunft nicht als Fortschreibung der Gegenwart vorzustellen und zu formulieren, was eine wünschenswerte Entwicklung ausmachen würde, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, Nachhaltigkeit als strategische Gestaltungsaufgabe wahrnehmen zu können. Zukunftsgestaltungskompetenzen braucht Lehr-Lernformate und Erfahrungsräume, die die Grenzen herkömmlicher Bildungseinrichtungen überschreiten. In der Auseinandersetzung mit neuen, kollaborativen und experimentellen Arten des Lernens, die die Floating University ermöglicht, liegt auch die Chance für Bildungseinrichtungen wie die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNE), ihren Horizont zu erweitern und so ihre Zukunftsfähigkeit zu stärken.