Think Tanks für Nachhaltigkeit
„Ideas have consequences“, und in aller Welt werden Ideenschmieden, sogenannte Think Tanks, als Brücken zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Praxis gegründet. R. Andreas Kraemer forscht über Think Tanks und verfasst ein Buch über diese politikrelevanten Einrichtungen, die in keiner Demokratie fehlen dürfen. Ein Schwerpunkt sind Think Tanks mit Fokus auf Nachhaltigkeit.
Laut der weltweit führenden Datenbank an der University of Pennsylvania gab es 2015 in den USA 1.835 Think Tanks. In China waren es 435, zu denen bald noch 1.000 dazu kommen sollen. In Indien stieg die Zahl in einem Jahr von 192 auf 280. In Deutschland gab es 195.
Think Tanks erschließen wissenschaftliche gesicherte Erkenntnisse für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, hinterfragen Ideen und Gesetzesvorhaben, bringen Gruppen mit widerstreitenden Interessen zusammen, leuchten Zukunftsentwürfe aus; sie evaluieren Politik, legen Schwächen offen, dokumentieren Erfolge und schaffen die Grundlage für Politiklernen. Nicht selten sind sie als Gedächtnis den Aktenarchiven der Ministerien weit überlegen. Wie Wahlen, Parteien, eine funktionierende Opposition oder die Presse zeugen auch sie von einer lebendigen Bürgergesellschaft. Ihr Zahl und Vielfalt, ihre Unabhängigkeit und Freiheit, ihre Meinung zu äußern, sind Indikatoren für die Offenheit und Reformfähigkeit. Das gilt jedenfalls, wenn der Kontext mitgedacht wird: Ein Think Tank in China ist anders als einer in den USA, in Brüssel oder Deutschland.
Die meisten Think Tanks sind Geschöpfe des Staates. Mehr als die Hälfte aller Think Tanks sind Politikinstitute an Universitäten. Viele sind auch Teil der staatlichen Verwaltung mit dem Auftrag, für die Regierung zu denken, Argumente oder Rechtfertigungen zu liefern. In jedem französischen Ministerium gibt es eine cellule prospective, mit dem Auftrag, voraus und quer zu denken. Sie sind teils Frühwarnsystem, teils Mittel gegen intellektuelle Verkrustung und Gruppendenken, und teils „Spielbeobachter“ der Entwicklungen in anderen Ressorts oder Ländern.
Die interessantesten und oft auch umstrittensten Think Tanks sind aber die außerhalb staatlicher Strukturen. Häufig aus einer gesellschaftlichen Bewegung heraus gegründet finanzieren sie sich über private Spenden, Beiträge von Kommunen, Verbänden oder Stiftungen. Während „Nichtstaatlichkeit“ in den Augen von US-Amerikanern eine notwendige Voraussetzung für Unabhängigkeit ist, wird in Europa oft noch allein eine staatliche Grundförderung als Garantie für Unabhängigkeit angesehen.
Diese Forschung ist für die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und das Qualifizierungsangebot „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ von Bedeutung. Denn die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen Forschung und Gesellschaft ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine Problemorientierung und Nachhaltigkeitsausrichtung gelingt.
Andreas Kraemer ist Senior Fellow am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam und Founder & Director Emeritus des Ecologic Institute in Berlin. Er ist Mitglied im Praxisbeirat des Strategischen Nachhaltigkeitsmanagements an der HNE Eberswalde.